Kritik der Kriminologie – zum „falschen Bewusstsein“ einer Wissenschaft
Title: Kritik der Kriminologie – zum „falschen Bewusstsein“ einer Wissenschaft
Authors: Reinhard Kreissl,
Publication: Befreiungswissen als Forschungsprogramm. Denken mit Heinz Steinert (V. Reidinger, A. Pilgram, M. Mokre, C. Reinprecht, K. Reitter, & A. Kranebitter (Eds.))
Published: 2022
Citation:
Kreissl, R. (2022). Kritik der Kriminologie – zum „falschen Bewusstsein“ einer Wissenschaft. In V. Reidinger, A. Pilgram, M. Mokre, C. Reinprecht, K. Reitter, & A. Kranebitter (Eds.), Befreiungswissen als Forschungsprogramm. Denken mit Heinz Steinert. Westfälisches Dampfboot.
Abstract:
Das Verhältnis von Heinz Steinert zur Kriminologie war immer distanziert. Als wissenschaftliche Disziplin hat er sie mehr oder weniger kategorisch abgelehnt. Solidarisch war er wissenschaftspolitisch mit der Kritischen Kriminologie, wenn es um deren Kritik an der konventionellen, täter-orientierten oder ätiologischen Fraktion der Disziplin ging. Nicht umsonst nannte sich das von Heinz Steinert gegründete Institut in Wien Institut für Rechts- und Kriminalsoziologie. Kriminologie als Disziplin taucht hier nicht auf. Die Soziologie liefert das methodische Handwerkszeug zur Analyse der Praxis der Strafjustiz. Sie ermöglicht zugleich einen erweiterten theoretischen Horizont, der den quasi-ontologischen Fokus auf das „Crimen“ als universalhistorische Kategorie und disziplinären Nullpunkt der Kriminologie sprengt.
Der theoriestrategische Gewinn dieser Weigerung, sich die Grundprämissen der Kriminologie zu eigen zu machen, ist die Befreiung vom Zwang zur theoretischen Konsolidierung oder definitorischen Bestimmung des „eigentlichen“ Gegenstands der Kriminologie als wissenschaftlicher Disziplin.